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Aspekte ästhetischer Konditionierung
(im Beispielsbereich von Verkaufsräumen)

"Fadenscheinig schon ist die Metapher, die die Welt mit einer Bühne vergleicht. Aber grundsätzlich besteht zwischen Realität und Show eine geheime Verbindung, eine unentdeckte Wechselwirkung - sei es, dass im Herzen des offiziellen Schauspielers die herbe Realität ihr Recht behauptet, sei's, dass im Hirn des unbeachteten Zuschauers ein fantastischer Mummenschanz dem Stück parallel geht." (Edward Bulwer-Lytton: Was wird er damit machen? Übersetzt von Arno Schmidt. Präambel zum 6. Kapitel, S.357)

1. Einleitung

Wer je Groucho, Harpo und Chico Marx in "Im Kaufhaus" gesehen hat, wird im Vergleich zu seinen eigenen Handlungen die Spassigkeit dieses Films in der Vorstellung begründen, Gezeigtes könne aktualisiert werden. Diese Vorstellung bezieht ihren Reiz aus der Absurdität. Real erweisen sich Kaufhäuser als ziemlich sicher vor derlei Demontage. Zwar ist die Freude über das Abtragen gewisser Normen gross solange die Fiktion dauert, doch bietet die schon lange so benannte Kaufhauskultur einen anderen Genuss: einkaufen wird zum Erlebnis, das Kaufhaus fungiert als Bühne, der Kunde wird zum Star exponiert, die Inszenierung heisst Ware, das Programmheft ist ein Kassenbon, Eintritt frei.

"Unsere Konkurrenten sind das Guggenheim Museum, Sohos Kunstgalerien und die Broadway Theater" äussert sich Bloomingdales Generalmanager Marvin. S. Traub einem 'Spiegel'-Bericht zufolge ("Über Leichen - Schaufensterdekoration in New York", Nr. 30/1976). Auch der Gemüsekrämer, der Friseur, jede Boutique hat etwas zu bieten, das mit oder ohne Aufpreis der Ware hinzugefügt wird, das überhaupt erst den 'Appetit' auf eine Ware einem bestimmten Geschäft zuordnet.

Unsere alltäglichen Verhaltensweisen führen uns vor Augen, dass wir die jeweils an einem Ort gegebenen Verhaltensbedingungen für uns modifizieren, sie jedoch nicht prinzipiell (und unter Applaus) aufbrechen. Man wird sich für oder gegen ein Geschäft entscheiden, Geschäftskategorien bevorzugen oder nicht. Dies unter der Voraussetzung freier Wahl bei Geschäftsvielfalt. Der Beobachtung nach fallen solche Entscheidungen weniger rational als eher unbewusst, entäussern sich in einem unbestimmten 'gefallen', sich 'hingezogen'fühlen oder 'abgestossen' werden. Rein pragmatische Argumente bleiben dann gegenüber den möglichen sinnlichen Argumenten auf der Strecke, wenn das Warenangebot in mehreren Geschäften identisch ist, Preisunterschiede keine Rolle spielen, Entfernungen einfach zu überwinden sind. Was sich also in der mehr oder weniger reflektierten Entscheidung für oder gegen ein Geschäft behauptet ist offensichtlich die Bewertung der Erlebnismöglichkeit beim Kaufakt. Ein Erlebnis haben heisst nun aber nichts anderes als die eigene Persönlichkeit in der Begegnung mit der Aussenwelt als bedeutungsvoll zu erfahren. Die Erlebnisse sind zunächst abhängig von der persönlichen Stimmung und dem Bewusstsein. Sie sind als Möglichkeiten dann sehr vielfältig: das Flanieren in einer Strasse, persönliche Begegnungen, die Art und Weise, wie man beraten und bedient wird, das Image eines Geschäftes, das an den Eintretenden geliehen wird und letzten Endes auch die Gestaltetheit des betretenen Raumes. Dieser Komplex von einem Raum zugeordneten Wirkmalen beschreibt das Ambiente (ital. Umgebung, Milieu), wobei der visuell wahrnehmbaren Gestaltung eine besondere Rolle zugewiesen ist. Durch sie wird im Wesentlichen bestimmt, ob sich der Kunde in dem einen Kaufhaus als König oder in einem anderen als jämmerliches Würstchen fühlt. Gerade dieser Sachverhalt des unterschiedlichen Selbstgefühls kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass die Raumgestaltung die Entscheidung für die eine oder andere Erlebniserzeugung bringt, denn Stimmungen stellen sich unvermittelt ein beim Betreten eines Raumes. Auch fällt auf, dass mit Einrichtungen konkurriert wird und dass Gestaltungen auf das Zustandekommen bestimmter Empfindungen gerichtet sind. "Du sollst ein Geschäft in der Weise führen, dass die Leute sich dort wie zu Hause fühlen." war das Prinzip des Amerikaners John Wanamaker, der als Ideenpate für frühe deutsche Warenhäuser gilt. Eine Würstchenbude oder der Kolonialwarenladen bilden in ihrem Ambiente den Alltag platt ab, 'Superstores' oder 'Flagshipstores' verleihen dem Alltag Weihe und sind ihm somit auch verhaftet. Wäre es anders, dürften diese Häuser nur am Sonntag öffnen.

2. Definition

Räume erfahren die mannigfaltigsten Bezeichnungen (als Indiz für ihre Erlebnisweisen) und gliedern sich in weitläufige Kategorien (Lebensraum, Freiraum, Funktionsraum, Wohnraum, Lichtraum, Umraum etc.). Verkaufsräume stellen keine Kategorie für sich dar, sie lassen sich nur im Katergorienfluss beschreiben als Räume, in denen gearbeitet als auch entspannt, ausgestellt und zusammengeworfen wird, umfassende Handlungen vollzogen oder stereotyp die immer gleichen Griffe getan werden. Als Verkaufsräume gelten alle Lokalitäten, in denen Waren wie auch Dienstleistungen umgeschlagen werden. Wir haben ihnen also vom Markt bis zum Bankschalter, vom Imbiss bis zum Nachtclub die unterschiedlichsten Raumauffassungen zuzurechnen. Das Problem ihrer begrifflichen Abstraktion lässt sich am ehesten lösen, indem man sie als Substruktur begehbarer Funktionsräume beschreibt. Die funktionellen Elementarien dabei sind:
- Arbeit
- Kommunikation
- Ausstellung
- Lagerung
Ein spezieller Verkaufsraum determiniert sich in seiner Schwerpunktsetzung oder Mischung dieser Aspekte. Generelles Kennzeichen von Verkaufsräumen ist Interesseerweckung (Appetenz).

3. Phänomen

"Wer verkaufen will muss Erlebnisse vermitteln." zitiert W. F. Haug den 'Tagesspiegel' vom 24.2.1970 und kommentiert diese lapidare Erkenntnis: "Das Ladenbaukapital hilft dem Kaufmannskapital mit einer kostspieligen ästhetischen Waffe im Konkurrenzkampf, und die Verwendung dieser Waffe, ihre immer erneute Raffinierung wird zum Zwang." Zwang für die Verkaufenden, jährlich etwa 4 Milliarden DM zu investieren (nach Angaben der 'Frankfurter Rundschau' vom 26.2.1970), Zwang aber auch für den Käufer, diese Verkaufsortinszenierungen per Preisaufschlag letztendlich zu finanzieren. Doch der Käufer zahlt nicht nur eine überteuerte Eintrittskarte für ein 'theatralisches Gesamtkunstwerk', er lässt sich, so Haug, schlicht zum Narren machen: "Ästhetisierung der Waren heisst schliesslich ihre tendenzielle Auflösung in genussvolle Vorgänge". Diese Zeichnung eines mit allen Wassern gewaschenen Verkaufsapparates und des törichten Kunden, der gleichzeitig als König bezeichnet wird, erinnert drastisch an des Kaisers neue Kleider: Die Erlebnisbühne ist mit der Falltür des Illusionismus versehen. Es ist zu bemerken, dass Haug die Situation des Verkaufsortes auf einen Typ hin generalisiert (das Kaufhaus), dessen Handlungsstrategie militant ist: Ästhetische Mittel als offensive Waffe. Wer einkaufen geht, zieht quasi in den Krieg. Das macht in seiner Überspitzung skeptisch, lässt sogar den Verdacht entstehen, es handle sich bei Haugs Einlassungen über den Verkaufsort und das Verkaufsgeschehen um Vorurteilsäusserungen aufgrund einer Erfahrungsbeschränkung. Zieht man einmal die genussvollen Vorgänge von der Warendarbietung ab, treten die einzelnen Waren doch dadurch nicht ehrlicher einem potentiellen Käufer in Erscheinung, ebensowenig wie ein Produkt selbst nicht funktionstüchtiger wird, indem es ohne sinnlichen Reiz gestaltet wird. Im Gegenteil: Ästhetisierung der unmittelbaren Objektfunktion ist Vermittlung zu ihrem Gebrauch. Lässt sich also die Ästhetisierung des Verkaufsortes so auch als übersetzte Gebrauchsanleitung verstehen, erscheint neben Haugs Version eine zweite, keineswegs agitative Art von Verkaufsortinszenierung. Ausserdem sollte man Haugs Aussage über die Warenauflösung, über die er selber nicht weiter schlussfolgert, an ihrem Umkehrschluss überprüfen: Entästhetisierung der Waren heisst schliesslich ihre tendenzielle Erscheinung in widerwärtigen Vorgängen! 'Der Spiegel' berichtete 1976 (Nr. 29) über aktuelle New Yorker Schaufensterdekorationen: Puppen in Abfall watend. Nach dem Attentat auf den Flughafen La Guardia: Puppen Bomben werfend. Zu Beginn des Patty-Hearst-Prozesses: Puppen im Gerichtssaal. Es scheint, in diesen Inszenierungen ist beispielhaft die Umkehrung von Haugs These gelungen, und zwar als Verkaufshilfe, denkwürdigerweise jedoch in der Absicht der Bewusstseinsbeförderung anstelle von Entrückung. Hier zeigt sich nun eine dritte Art von Verkaufsortinszenierung, gewissermassen aufklärerisch oder gar moralisierend. Deborah Tubeville, die Initiatorin dieses Dekorationsstils, äussert in diesem 'Spiegel'-Artikel: "Man braucht heutzutage Schocks, um die Leute aufmerksam zu machen, weil sie vor lauter visueller Umweltverschmutzung nicht mehr sehen können." Man muss also erkennen, dass verschiedene Arten von Inszenierung am Verkaufsort angeboten werden, wobei die Hintergrundabsicht natürlich stets die gleiche ist, nämlich zu verkaufen. Jedoch wird auf die Vielfalt der Bedürfnisse, Bewusstseinslagen, Wahrnehmungs- und Handlungspotentiale eingegangen. Dieser Bezug von Verkaufsort zu Kaufverhalten ist keine statische Grösse, sondern eine dem kulturellen Wandel unterworfene Käuferschichtenspezifizierung. Allerdings lässt sich dieser Tatbestand abstrahieren: Die Strukturierung des Verkaufsortgeschehens reicht von der völligen Fremdbestimmung (Haugs Version) bis zur Anleitung zur Selbstbestimmung über die Objektwelt und zur Reflexion über Fremdbestimmung im Environment. Darüberhinaus die völlige Selbstbestimmung über das Ambiente lässt sich jedoch lediglich antizipieren, etwa in der Art, dass der Kunde beim Betreten des Geschäftes aus einem völlig unbegrenzten Repertoire von Möbeln, Beleuchtung und Dekorationsgegenständen ein Arrangement bestimmen könnte, welches seiner Kaufbereitschaft höchst individuell entspricht. Eine solche Aneignung von Umwelt durch ein gestaltendes Bewusstsein ist zwar nur ein theoretischer Gegensatz zu Haugs Modell der als Prostitution dargestellten 'Propagierung bestimmter Kaufbereitschaften: "Nebenbei und unablösbar vom Zweck wie von der Technik wird die allgemeine Käuflichkeit der Menschen propagiert." Die Antizipation ist aber für die Vorstellung von Verhaltenssteuerung oder Konditionierung per Ambiente unerlässlich, denn nur so wird erklärbar, dass die Verkaufsortwirklichkeit von dem Modell stark abweichend aussieht. Sie ist eine Utopie. Allerdings kann Bewusstseinserzeugung amVerkaufsort nicht gefragt sein, wo Massenumsätze angestrebt werden, schon bedingt durch das Einrichtungs- und Aneignungsproblem. Man kann es auch so ausdrücken: Wo individuelles Bewusstsein verhindert wird, entsteht Entfremdung, und diesem Sachverhalt entspricht die Entfremdung in der Umweltwirklichkeit (Thomas Maldonado: Umwelt und Revolte, Hamburg 1972). Wir begegnen hier dem Antagonismus von Entfremdung (als Depersonalisation, Auflösung der eigenen Person in soziokulturellen Vorgängen, auch Institutionalisierung benannt) und Bewusstsein, das kontrollierend in die Auseinandersetzung des Organismus mit seiner Umwelt einblendet und als Selbstbewusstsein die Individualität vom Aussen abgrenzt und zu behaupten sucht. Bewusstsein ist 'Begleitwissen' (con-sienta) und somit entstehungsabhängig vom Wahrnehmungsmaterial und dem Repertoire der Aneignungsmechanismen. Bewusstsein nennen wir also die Fähigkeit zur Vergegenwärtigung. Es erfüllt eine Vermittlerfunktion in der Überleitung von Erlebnissen in Erfahrung, wobei (nach Sigmund Freud in: Jenseits des Lustprinzips) das Erlebnis als beendet gilt, wenn die Erfahrung sich einstellt. Daneben ist das Bewusstsein auch der umgekehrten Vorgehensweise mächtig, aus der eigenen Erfahrung heraus Erlebnisse zu inszenieren oder auch erlebnisträchtige Situationen zu konstruieren. Solche Inszenierungen (Setzungshandlungen) - sie gleichen dem Theaterstil Bertold Brechts, indem sie das Zeigen zeigen - sind das individuelle Instrumentarium der Selbstbestimmung.
So wie Selbstbestimmung die Entäusserungsform des Bewusstsein ist, so wird die Fremdbestimmung zum Äquivalent der Entfremdung. In ihr erhält das Subjekt eine Funktionszuweisung, es wird organisiert. Man illustriere sich das mit der Vorstellung einer Wohnungseinrichtung, in der jedes Detail vom Bewohner selbst entworfen und einer konkreten Sinngebung unterworfen wurde im Gegensatz zu einer Einrichtung, die aus austauschbaren, beliebigen oder komplett aus einem Katalog übernommenen Gegenständen besteht. Es ist leicht einzusehen, das Selbstbestimmung und Fremdbestimmung extreme Antagonismen darstellen. In der Realität werden sich die meisten Handlungsvorgänge irgendwo zwischen den beiden Polen abspielen.

4. Sprache

Ein ähnlicher Sachverhalt kann für das Sprachverhalten festgestellt werden. Soziolinguisten wie Sapir oder Whorf haben nachgewiesen, dass Menschen mit verschiedenen Sprachen gleichsam in unterschiedlichen Wirklichkeitswelten leben (ähnliches ist auch bei Ludwig Wittgenstein zu lesen), da Sprache die Erfahrung vollkommen durchdringt. Das heisst, dass ein objektiver Sachverhalt von verschiedenen Beobachtern unterschiedlich beschrieben wird, da die Wahrnehmung an den linguistischen Hintergrund gebunden ist. Dieser ist weitgehend gesellschaftlich bestimmt, in ihm werden Interpretationen vorgegeben, wodurch Verständigung erst möglich wird. Dieses Prinzip (linguistisches Relativitätsprinzip bei Benjamin Lee Whorf, 1963) gilt sowohl für grosse kulturelle Gemeinschaften als auch für Gruppen oder Schichtungen innerhalb einer Gesellschaft. Dies verdeutlicht zunächst das Zustandekommen erwähnter 'Kaufhauskulturen', indem auf das jeweilige Wahrnehmungsvermögen der Käuferschichten eingegangen und Verbindlichkeit zu erzeugen versucht wird.
Eine neuere Erkenntnis erfolgte duch Basil Bernsteins Differenzierungen der Sprache (Sprechweisen oder Sprachgestalten) in linguistische Codes: Im Wesentlichen elaborierter Code versus restringierter Code. Dabei ist der elaborierte Code die Ebene sehr persönlicher Mitteilungen, des Austauschs von Erfahrungen und der rationalen Äusserungen zu klaren Sachverhalten. Er ermöglicht die Orientierung zum Individuum des Sprechpartners. Der restringierte Code dagegen ist darauf gerichtet, diese Orientierung zu umgehen, die persönliche Beziehung zu verhindern, um zunächst eine Sozialbeziehung zu bestimmen aufgrund partikularer Identifikation und Solidarisierung im Erlebnisbereich. Der restringierte Code taucht häufig dort als das unpersönliche, aber sozial vermittelnde Gespräch auf, wo eine informelle Gruppe miteinander auskommen muss, wo die individuellen Erwartungen gering sind, wie etwa am Arbeitsplatz. Auch ein floskelhafter Gesprächseinstieg, Unterhaltungen auf Parties und gesellschaftliche Rituale werden gewöhnlich mittels restringierter Codes bewältigt. Dem elaborierten Code begegnen wir im vertiefenden, austauschenden Dialog, im wissenschaftlichen Vortrag oder in einer ausführlichen Liebeserklärung, also immer dann, wenn wir mit einer bewussten (elaboriert = ausgearbeitet) Formulierung das Verständnis des Adressaten bemühen. Der restringierte (= eingeschränkte) Code zielt eher auf emotionale Reflexe und verwendet insbesondere sprachliche Konventionen.
Man erkennt hier im sprachlichen Instrumentarium die Möglichkeit des Subjekts zu Selbstbestimmung oder individuellen Explikation mittels elaboriertem Code, im anderen Fall der Fremdbestimmung zur Erlangung einer sozialen Identität mittels restringiertem Code. Beide Codes werden im Sprachgebrauch üblicherweise wechselnd angewendet, je nachdem, welche kommunikative Situation bewältigt werden soll und inwieweit diese Codes je nach sozialer Herkunft und sprachlichem Training zur verfügung stehen.
Eine weitere ähnliche Betrachtung von Sprachformen findet sich bei Max Bense in seiner informationstheoretischen Ästhetik, der unter Berufung auf de Saussure und Benoit Mandelbrot eine analoge oder imitative Sprache unterscheidet von einer digitalen oder symbolisierenden Sprache. Dabei ist analoge Sprache reine Ausdruckssprache, bildhaft, metaphorisierend, Erlebnisse vermittelnd. Digitale Sprache ist rational, sie entwickelt Sätze, die die Verschiedenheit möglicher Gegenbenheiten beschreiben lassen als Voraussetzung für Urteil und Entscheidung. Auch hier ist wieder hervorzuheben, dass beide Sprachformen als Extreme gelten und selten ausschliessliche Verwendung finden, sondern im allgemeinen Sprachgebrauch sich mischen und durchdringen. Ein analoges Sprachkonstrukt wie etwa die Mitteilung, ein Text sei 'schwer verdaulich', kann die Kommunikation erheblich erleichtern, da der Anschauungsbegriff dem unmittelbaren Verständnis zugänglich ist, das heisst, man reagiert auf diesen Anschauungsbegriff mit einer an ihn gebundenen festen Vorstellung. Diese Vorstellung ist für den Sprecher weitgehend voraussagbar, denn das metaphorische Bezugssystem ist dem soziokulturellen System verhaftet und teilweise angestammt (autochton), was die Übertragbarkeit solcher Vorstellungen, Bilder, Erlebnisse oder Stimmungen gewährleistet. Daneben leistet ein Analogon nichts im Hinblick auf konkretes Verstehen. Dies bedarf digitaler Information, differenzierter Aussagen und ihrer Sortierung nach wahr oder falsch. Reflexion also entspricht digitaler Sprache im Unterschied zur Reaktion auf analoge Mitteilungen. Die etwas aus der Mode geratenen Begriffe aus derfrühen Verhaltensforschung Apperzeption und Preperzeption beschreiben einen ähnlichen Sachverhalt. Preperzeption nennt William James Fälle, in denen "aufgespeicherte Anschauungsbegriffe zum Wiedererkennen unzureichend ausgeformter Wahrnehmungen führen", dagegen ist Apperzeption Heraussonderung eines Blickpunktes aus der Gesamtheit des Blickfeldes, intentionales Hinwenden der Wahrnehmung, sehen in Bewusstsein überführend und somit Beurteilung des Wahrnehmungsinhalts, also Erfahrungsbildung. Dem ist hinzuzufügen, dass Perzeption als ständige unaufmerksame Wahrnehmung diese sowohl zur Preperzeption als auch zur Apperzeption hinzulenken vermag. Sie ist Grenz- und Übergangsmoment zugleich.
Die soweit ausgeführten Gegensätze liegen hier sehr eng beieinander uns sind mitunter nicht mehr klar zu trennen. Von hier aus entfalten sich die Orientierungsmuster in Wahrnehmung, Bewusstsein und Verhalten zu ihren jeweiligen Dichotomien, wie gezeigt:
Wahrnehmung : preperzipierend > < apperzipierend (introjizierend > < diskursiv)
Bewusstsein : fremdbestimmt > < selbstbestimmt (Entfremdung > < Selbstbestimmung)
Verhalten : analog > < digital (Reflex > < Reflexion)
Die Objekt- oder Wirklichkeitswelt wird gemäss der Verfügbarkeit solcher Orientierungsmuster erkannt, und man darf selbstverständlich erwarten, dass, wenn jemand unsere Orientierung zu steuern beabsichtigt, uns Zeichen gegeben werden, die diesen Orientierungsmustern entsprechen, jeweils graduiert entweder an unseren Verstand oder an unsere Impulse gerichtet. Unsere Reaktion wird ebenfalls aus einer Verstandesoder einer Gefühlsreaktion oder einem Mix von beidem bestehen, sodass ein Diskurs mit der Welt entsteht.

5. Wahrnehmungsaspekte

Wahrnehmung wörtlich genommen meint das Für-wahr-nehmen sinnlicher Gegebenheiten. Aber wahr ist ein Urteil, und das verweist auf die Rolle des Intellektes bei der Bewertung sinnlicher Informationen. Frühe und naive Auffassungen von Wahrnehmung gingen dahin, sie als täuschungsträchtige Sinnestätigkeit vom Denken zu trennen, weil Sinnesbotschaften nicht in jedem Fall erklärbar waren und andererseits etwas Gedachtes sich nicht immer sinnlich überprüfen lies (z.B. der Atomismus des Demokritos). Sinn und Verstand gerieten bei den Sophisten in ein hierarchisches Verhältnis: als Gegner, die doch aufeinander angewiesen waren, und die Vernunft entschied, ob etwas mit der Sinnesmitteilung anzufangen sei.
Bemerkenswert erscheint die etymologische Wurzel des Begriffs Vernunft: das althochdeutsche virnunft meint ebenso wie das griechische aistetike die durch die Sinne vermittelte Erkenntnis, doch ist zu bedenken, dass die Scholastik über naturwissenschaftliche Erkenntnis noch das Dogma des Glaubens stellte. In der Zeit der Aufklärung etablierte sich die Trennung der Begriffe Res Cogitans und Res Extensia soweit, dass sie auch heute noch wirksam ist. Unser gegenwärtiger Begriff von Vernunft ist Systemrationalismus und hat wenig mehr mit Sinnlichkeit zu tun.
Erst in der neuen Wahrnehmungspsychologie setzt sich die Einsicht durch, dass die Scheidung von Sinnlichkeit und Erkenntnis im Sinne ihrer Komplementarität aufzuheben ist. In 'Anschauliches Denken' (1969) stellt Rudolf Arnheim heraus, dass Denken kein psychischer Prozess neben, sondern wesentlicher Bestand bereits in der Wahrnehmung ist, indem die Funktionen des Denkens in der Wahrnehmung vorgeformt sind, wie: aktives erforschen, wählen, erfassen des Wesentlichen, vereinfachen, abstrahieren, ergänzen, korrigieren, vergleichen, kombinieren, unterscheiden, in Zusammenhang bringen. Sehendes Wahrnehmen ist beim Menschen leistungsfähiger als seine anderen Sinnesarten, jedoch ist festzuhalten, dass die klassischen fünf Sinne das Sensorium nicht ausreichend beschreiben. Neben diesen verfügen wir über zumindest noch acht weitere: Druck- und Berührungssinn, Temperatursinn, Schmerzsinn, Organempfinden, Stellungssinn, Lage- und Bewegungssinn, Spannkraftsinn. Wahrscheinlich ist, dass noch weitere Sensorien wirken, wie etwa die Emfindlichkeit für elektromagnetische Wellen oder den bis zu 70 Klimafaktoren, die auf das Wohlbefinden einwirken, ohne dass jedoch geklärt ist, inwieweit dieses Sensorium der Erkenntnistätigkeit dient.

5.1 Der Raum in der Wahrnehmung

Nach Wilhelm Wundt (Sinnliche und übersinnliche Welt, 1914) führt ein naives Weltbild zu der Frage, was zuerst war: das Subjekt oder das Objekt. Mögliche Antworten sind: (1.) Beide werden im Unterscheiden gleichzeitig erfasst. (2.) Das Subjekt, da die Aussenwelt sich zunächst als subjektives Erleben darstellt. (3.) Das Objekt, weil das Subjekt sich ihm unterscheidend gegenüberstellt. Die ersten beiden Möglichkeiten können per Syllogismus ausgeschlossen werden. Die 3. Antwort wird zwar in der Selbsterfahrung bestätigt, aber sie befriedigt nicht, denn es gibt keine für alle Subjekte gleiche Aussenwelt, wie die Erfahrung mit anderen Subjekten zeigt. Die Sinnespsychologie setzt folglich Aussenwelt-Räumliches als gegeben voraus und fragt, wie die Wahrnehmung des Räumlichen vor sich geht. Die Wahrnehmung richtet sich auf Rauminhalte, also die räumlichen Strukturen und Verhältnisse, auf Einzelobjekte und ihre Beziehungen zueinander. Sie ist reizgebunden, und indem die Aufmerksamkeit wandert, entsteht Tiefenwahrnehmung. Sie geht dabei von der Ganzheit des Raumgebildes aus und gliedert es in Einzelbezügen aus. Die bekannten physiologischen Tiefenkriterien hierbei sind Akkomodation, Konvergenz und Querdisparation. Über sie konstituiert sich Raum erlebnismässig perspektivisch vom eigenen Körper aus, wobei ein vorhandener Horizont als fundamentale Verweisungslinie fungiert, auch noch über den unmittelbar wahrgenommenen Raum hinaus, der in dieser Verweisungs-Ganzheit in einen umfassenden, nicht wahrgenommenen Raum eingeordnet wird. Dieser Bezug von sich selbst auf die Raumtotalität erst ermöglicht Orientierung.

5.2 Der gelebte Raum

Dem wahrgenommenen Raum gegenüber entwickelt der Organismus eine intentionale Bezogenheit, eine Erwartungshaltung entsprechend der Gefühls- und Verständnislage, die zu Sinngebung tendiert. Diese motivationale Ausrichtung ist die Dynamik der Wahrnehmung schlechthin. Das bedeutet aber auch, dass jede Raumwahrnehmung gleichzeitig auch eine Selbstwahrnehmung ist. Besonders ausführlich beschreibt Alexander Gosztonyi dieses Phänomen (Der Raum, 1976, 7. Kap. IV/7-8). Der gelebte Raum ist für den Menschen Entfaltungsmöglichkeit oder Widerstand. Er wird mit einer dem eigenen Leib ähnlichen Körperlichkeit erspürt. Jede Raumstelle erfährt dabei eine gefühlsmässige Wertung, wird mit einer bestimmten Bedeutsamkeit besetzt. (Nach Ansicht Jakob von Uexküll's werden diese Raumqualitäten als Empfindungen wieder vom Körper weg in den erlebnismässig gegebenen Raum projiziert.) Als das Raumerlebnis bestimmend muss eine Art ursprünglicher Raum (espace primitif) angesehen werden, in dem sich die psychische Situation darstellt. Demnach wird primär nicht ein Raum, sondern ein seelischer Zustand erlebt. Die Differenzierung der Welt erfolgt also immer zunächst aus dem Gefühlsgrund und dabei im Wesentlichen der archetypischen Prägung folgend nach hell oder dunkel, Tag oder Nacht. Urphänomen ist der Nachtraum, er ist unausgegliedert, weit, ohne Horizont oder sinnliche Grenzen, mit ihm verknüpfen sich mythische Vorstellungen des Ursprungs (Kosmos, Uterus) sowie der Macht (Tod, verlöschendes Licht). In diesem Raum gibt es keine Wahrnehmung ausser der Selbstwahrnehmung, das Subjekt wird allein auf seine psychische Realität verwiesen. Der Tag bricht an mit Erscheinen des Lichts, mit ihm beginnt die Eingliederung des Subjekts in die Welt und die Ausgrenzung der Umwelt. Tagräume sind Räume der Gegenstandswelt, sie tragen den Charakter sinnlicher Realität und strukturierbarer, präziser Wahrnehmbarkeit. Gostonyi weist darauf hin, dass Tag- und Nachträume nicht als Gegensätze aufzufassen sind, die das räumliche Erleben von zwei Seiten her eingrenzen, vielmehr ineinanderliegend und unter Umständen gleichzeitig erlebbar sind (den hellen Raum wahrnehmend, den dunklen Raum in sich fühlend), den ursprünglichen Raum manifestieren, allerdings in der Weise, dass der Tagraum immer vom Nachtraum mitbestimmt wird, da dieser als quasi Resonanzraum die Voraussetzung für das dominierend gefühlsmässige Raumerlebnis ist. Neben dieser psychischen Voraussetzung sind reale Gegebenheiten für das räumliche Erlebnis bedeutend, die zusammengefasst die Stimmung oder Anmutungsqualität des Raums ausmachen. Die Gestimmtheit des Raums ist vom Subjekt nur insoweit abhängig, wie sie dessen Anschauung zugänglich ist. Sie ist jedoch keine Projektion subjektiver Stimmungen in den Raum, sondern präsentes Zeichen für Kräfte im Raum, ist Raumgestalt, die von sich aus psychische Empfindungen evoziert. Gosztonyi stellt den gestimmten Raum überspitzt formuliert als Tagseite des schwarzen Raums heraus, die immer dann in Erscheinung tritt, wenn die innere Begegnung des Menschen mit der Welt stattfindet. Die heute geläufigen Begriffe Ambiente oder Ambiance entsprechen dieser animatorischen Reflektion. Die empirische Ästhetik spricht in diesem Zusammenhang von arousal potential (Anregungspotential), wenn die Beschaffenheit externer Reizmuster geeignet ist, einen Organismus emotional oder motivational zu aktivieren, Verhaltensforscher wiederum nennen das Appetenz. Wird nun eine Raumgestalt als mit der subjektiven Stimmung identisch erlebt, bildet sich ein Topos. Die Verknüpfung einer Vielzahl solcher Topoi zu einem Topoi-Syndrom ist für die Lebensfähigkeit eines Organismus unumgänglich, da so erst ein Beziehungsgefüge konstituiert und Umwelt wiedererkennbar gemacht werden kann. Eine besondere Toposform findet sich in der Ausbildung des Psychotopos, der komplexen Vergegenständlichung eines Individuums beispielsweise besonders deutlich in seiner Wohnwelt. Topoi-Angebote wie man sie in Geschäften, Kinos, Parks oder Diskotheken etc. findet, sind als Vorgabe zur Identifizierung zu verstehen. In der Planung von Räumen/Architektur wird die Übertragbarkeit subjektiver Erwartungshaltungen auf die Raumgestalten antizipiert, wobei deren Aussagefähigkeit sich immer auf den espace primitif rückbezieht, Stimmungen und Gefühle wie erwähnt immer raumbezogen erfahren werden, und folglich Räumlichkeiten sich unterscheiden lassen nach Strukturierbarkeit (einschliesslich Emotionen) und purer Emotionalität.

5.3 Deprivation

Zu geringe Stimulation (sensory deprivation) stellt sich ein, wenn das Identifikationsmuster in den Topoi abnimmt und über längere Zeit als nicht mehr ausreichend erachtet wird. Ist auch eine Umbesetzung der Affekte auf andere Topoi nicht durchführbar, so löst sich der Aussen- und Selbstbezug des Organismus auf, die aufgestaute Handlungs- und Reaktionsbereitschaft entweicht in Wahn oder Agression. Bereits ein Reizentzug von 24 Stunden setzt die Denkfähigkeit soweit herab, dass keine Selektion mehr hinsichtlich des Wahrheitsgehalts einer Information erfolgt. Eine weit schwächere Entzugssituation, etwa monotone Arbeit oder reizarme Umgebung führt immerhin noch zu Halluzinationsanfälligkeit, Apathie und gleichzeitiger Beeinfflussbarkeit durch Propaganda. Es liegt nahe, dass die Herabsetzung der Reizschwelle im Sinnlichkeitssyndrom auch konzeptueller Bestandteil bei der Gestaltung von Verkaufsräumen sein kann.

6. Verhaltensformen

Wahrnehmen und Verhalten sind bei allen komplexen Organismen die Einheit der Lebensäusserung. Bei höheren Organismen schiebt sich die Aktivität des Denkens in dieses Funktionsgefüge. Die Niveaus der Verhaltensformen werden dargestellt in angeborenen Verhaltensweisen, angelernten Reaktionen und symbolischen Aktivitäten, wobei der Organismus in der Regel nicht auf Vereinzelung der Verhaltensformen angewiesen, sondern immer bestrebt ist, mehrere gleichzeitig auszuführen, sie simultan zu verschränken.

6.1 Taxien

Taxien sind Orientierungsreaktionen, also von Aussenreizen abhängig und als Reaktionsnormen zuständig für die Steuerung aussenreizunabhängiger Bewegungsnormen, genetisch programmierter Abläufe, die lediglich einer Enthemmung bedürfen. Von einfachen Taxien, die eine Bewegungsfolge auslösen können, indem sie den Organismus in Aktionslage zum Reiz bringen (Hinwendung als positive Taxis/Abwendung als negative Taxis) - ihre Funktion gleicht den bekannten AAMs (angeborene auslösende Mechanismen) - unterscheiden sich Topotaxien, die den Organismus bei dem Ablauf der Bewegungsfolge in Lagebeziehung zu seinem Reizobjekt halten. Das Aufrechterhalten der Handlungbereitschaft hat bereits appetenten Charakter und ist in der Regel mit einer subjektiven Lustempfindung verbunden. Die Unterbindung topotaktischer Tätigkeit bewirkt eine gewisse Hilflosigkeit des Subjekts. So vermindern beispielsweise Autofahrer in einem gebogenen Tunnel ihr Tempo erheblich, ohne sich dessen bewusst zu sein, aufgrund der Einengung ihres Gesichtsfeldes. Topotaxische Mechanismen finden selbstverständlich Anwendung in der Gestaltung von Räumen mittels Zonierung, Möblierung oder Beleuchtung, die als Bewegungsverzögerer/beschleuniger (Bremse/Gaspedal) eingesetzt werden. Darüber hinaus sind weitere, vielfältige Taxien orientierend wirkend wie Chemotaxis (Geruch), Phototaxis (Licht und Farbe), Thigmotaxis (Tastreiz) etc. Hinzu kommen noch Mnemotaxien, also die Orientierung aufgrund von Erinnerung, was bei Marken eine grosse Rolle spielt.

6.2 Appetenz und Übersprungverhalten

Als Appetenz bezeichnet man die Entstehung eines Verlangens und dementsprechend ist Appetenzverhalten zweckgerichtetes lustreizbezogenes Verhalten. Es ist für den gesamten Lebensbereich von übergreifender Bedeutsamkeit, physiologisch, psychisch, symbolisch. Jede Gestaltung ist um Appetenzerzeugung bemüht. Ein interessantes Problem entsteht, wenn bei erfüllter Appetenz die auslösende Reizsituation bestehen bleibt (Konrad Lorenz beobachtete einen solchen Sachverhalt an einer Graugans, die in Übersättigung instinkthaft appetenter Eirollbewegungen schliesslich mit der ihr eigentümlichen Demutsgebärde reagierte. Weiterhin korrigiert Lorenz mit dieser Beobachtung den klassischen Funktionskreis des Jakob von Uexküll, wonach das Wirkmal stets das Merkmal auslöscht und damit die Handlung beendet.). In diesem Fall erzeugt die nun appetitlose Appetenz gegenläufige Bestrebungen, ausgenommen möglicherweise bei sehr dezenten Reizen. Sind zwei Stimmungen im Konflikt, so wird die Reizschwelle wechselseitig heraufgesetzt und es kommmt zu gegenseitiger Hemmung der mit diesen Stimmungen verbundenen Bewegungsweisen. Eine dritte, beliebige, in Parallelstellung befindliche Stimmung kann nun um so leichter ihre eigene Hemmschwelle überwinden und nun quasi im Leerlauf losgehen. Solche, der eigentlichen Handlungsbereitschaft fremde Bewegungen ohne vordergründig sinnvollen Bezug sind als Übersprungverhalten gekennzeichnet, da Konflikte damit übersprungen werden sollen. In der Ausführung der Übersprunghandlung, die sich als unbewusste kleine Geste der Selbstversicherung darstellt (Krawatte zurechtrücken, Scheinputzen bei Tieren), gelingt dem Subjekt kurzfristig eine Stabilisierung seiner Verfassung. Man kann diese Konfliktausdrucksgesten immer dann registrieren, wenn Triebziele nicht oder aber zu schnell erreicht werden, noch Energie frei ist. Dies erklärt einerseits, wie Impulskäufe provoziert werden, warnt andererseits aber auch vor überladener Gestaltung, die nach kurzer Appetenz dann Abkehr (negative Taxis) oder sogar Ekel hervorrufen kann. Auch die in der Einleitung geschilderten Verwüstungen der Marx Brother sind eine Übersprunghandlung.

© Winfried Saty 1978
(Auszug aus der Diplomarbeit im FB ID und Nichtnormative Ästhetik/Bazon Brock)